Das vierte Vierteljahrhundert 1955 bis 1979
Wieder musste der Turnbetrieb eingestellt werden, da der Hohmann’sche Saal nicht mehr zur Verfügung stand. Auch die Sportplatzfrage wurde nun akut. Ein Kellerraum in der Evaschule wurde provisorisch als Turnraum eingerichtet, die Handballer spielten als Gäste auf den Plätzen der Fußballvereine Lütgendortmund 06 und Urania. Zusammenkünfte und Feiern hielten den Verein trotzdem in guter Gemeinschaft zusammen.
Allmählich löste sich der Deutsche Sport aus der internationalen Isolierung der bitteren Vergangenheit. Vor allem die Lütgendortmunder Handballer knüpften Kontakte über die Grenzen. So kam es 1956 zum ersten „Austausch“: Zu den ersten Freundschaftsspielen mit Holländern. Die Gäste fühlten sich in Lütgendortmund wohl, genau wie die Eintrachtler vier Wochen später beim Gegenbesuch in den Niederlanden.
Eine große Stunde für den TV Eintracht, als 1959 endlich in der neuen Turnhalle an der Limbecker Straße geturnt werden konnte. Die Abteilungen entwickelten sich wieder stärker. Der damalige Eintracht Vorsitzende Emil Kröner hat sich um den Aufbau der Turnabteilungen sehr verdient gemacht.
Die glanzvolle Feier zum 80-jährigen Bestehen des Vereins brachte alle Mitglieder, die durch den Krieg in andere Landesteile verschlagen worden waren, wieder zum großen Treffen in Lütgendortmund zusammen. Am 30. April 1960 – also der Gründung nach nicht ganz termingerecht – begeisterte die Turnabteilung mit tollen Vorführungen auf der Bühne des Specht’schen Saales, wobei auch Sprünge an einem erst kürzlich eingeführten Gerät aus Amerika – dem Trampolin – das Publikum begeisterte.
Unvergessen der 9. September 1961, wieder einmal ein „Meilenstein“ in der Geschichte des TV Eintracht. Vor 2.000 Zuschauern, bei insgesamt 425 aktiven Teilnehmern (davon 200 Turner und Spieler der Eintracht), wurde in einer von der Eintracht organisierten Eröffnungsfeier der neue Sportplatz eingeweiht.
Wie schon in vielen früheren Jahren, so wurde auch im Januar 1962 zu einem Winterfest eingeladen, bei dem fast 400 Besucher den zahlreichen Vorführungen der Jugendlichen ihre Begeisterung zum Ausdruck bringen konnten. Übungen der Jungen am Rundseil und auf der Matte sowie Kastensprünge der Mädchen ließen gute Ausbildung und Mut erkennen. Die Turnerinnen zeigten mit ihren neuartigen und anmutigen Partnerübungen am Stufenbarren, aber auch mit ihren Einzelübungen ausgereifte Leistungen. Alle Vorführungen wurden musikalisch untermalt. Ein gemeinsam gesungenes Turnerlied beschloss den ersten Teil des Festes, der zweite Teil des Abends war der Musik und Unterhaltung gewidmet. Der einheimische BaritonTenor Norbert Orth wusste mit seinen natürlich vorgetragenen Liedern die Zuhörer zu begeistern. Ein lustiger Sketch, sorgsam einstudiert und bis in die kleinsten Nuancen liebevoll gespielt, erhielt wahre Lachsalven. Den Abschluss bildete ein hübscher Volkstanz der Turnerinnen, die zünftig in Lederhosen und bunten Röcken gekleidet waren. Er leitete über zum allgemeinen Tanz. Die Hauskapelle des Hotels Specht erfreute die Zuhörer mit den neuesten Tanzreisen und trug zur Fröhlichkeit aller Anwesenden bei, die noch lange in gemütlicher Stimmung beisammen blieben.
Die Mitgliederzahl wuchs ständig. Turner und das neu ins Programm genommene Prellballspiel zog Freunde an und die Damen hatten erkannt, wie wichtig Gymnastik für die schlanke Linie und für das allgemeine Wohlbefinden ist. Die bisher erfolgreiche Handball-Jugendarbeit der letzten Jahre unter Emil Lorsy und Berthold Kleber zeigte ihre Erfolge. Besonders die 1. Jugendmannschaft konnte sich in vielen Turnieren behaupten und nahm regelmäßig an den Endrunden um die Kreismeisterschaft teil. So war es auch nicht verwunderlich, dass die 1. Jugendmannschaft 1964 in die neu gegründete Jugendsonderklasse aufgenommen wurde und sich dort auch tapfer schlug. Auch die vor Jahrzehnten gegründete Schwimmabteilung lebte wieder auf, als die Stadt Dortmund mit dem Hallenbad an der Volksgartenstraße die Voraussetzungen für geregelte Schwimmstunden geschaffen und dem ewigen Hin und Her in der Diskussion „Hallenbad oder Freibad“ ein Ende gesetzt hatte. Am 19. November 1966 wurde das Hallenbad der Bevölkerung übergeben und die Gründung der Arbeitsgemeinschaft Lütgendortmunder Einzelhandel war der Grundstein für die heute bekannt und engagierte AG „Aktiv im Ort“ Lütgendortmunder Handel, Handwerk und Gewerbe.
Der Vorstand zeigte sich sehr weitsichtig, als er die frühere Olympia-Teilnehmerin im Turmspringen (1936), Ria Hahn, als Übungsleiterin verpflichtete. Ria Hahn, sehr ehrgeizig und erfahren, bereits als Übungsleiterin in Bochum bestens bekannt, trieb den Aufbau der Schwimmabteilung mächtig und rasch voran. Das Schwimmen der Kleinkinder lag ihr besonders am Herzen, das „Mutter-und-Kind-Schwimmen“ wurde unter ihrer Leitung bald beliebt. Die Leistungsriege nahm schon nach kurzer Zeit des Trainings erfolgreich an Vereinswettkämpfen teil, Übungsleiter, die sich speziell um die Leistungsschwimmer kümmerten, wurden gewonnen.
Als der Verein sein „90-jähriges“ feierte, 1969, war die Mitgliederzahl auf über 1.000 geklettert, ja sogar knapp 1.300 Mitglieder waren 1971 angemeldet. So erfreulich die Anmeldungen auch waren, waren sie doch ein Zeichen unseres guten sportlichen Wirkens und der Anerkennung, brachten sie für den Verein viele Probleme, die oft nur schwer zu bewältigen waren. Konnten früher die Beiträge durch einen Hauskassierer eingezogen werden, der dadurch einen engeren Kontakt zu den Mitgliedern herstellte, war es nun unmöglich, bei der Größe des Vereins und der Streuung der Wohnorte, einen solchen Kassierer zu finden. Die aus reiner Zweckmäßigkeit gewählte Form der Beitragseinziehung und Einzahlungen auf Konten der Sparkasse hat viele Nachteile. Seien es die Vorbereitungsarbeiten, die Information über geleistete Zahlungen oder auch Rückstände, nur wenige können den Aufwand abschätzen.
Während der Verein weiterhin auf die Bezeichnung „ehrenamtlich“ stolz sein durfte, änderte sich das Bild bei den Übungsleitern, die nun von Fachschaften ausgebildet wurden und die noch viel mehr Zeit als früher aufbringen mussten. Das war ohne Entgelt nicht mehr zu erwarten, nicht mehr zu vertreten. Der Landessportbund ging die Probleme an, stellte in Verbindung mit dem Kultusminister des Landes den so genannten „Goldenen Plan“ auf – zur Unterstützung der sporttreibenden Vereine.
Die Umstellung von Feld- auf Hallenhandball wurde Anfang der 70er Jahre endgültig vollzogen. Einige Spieler nutzten die Möglichkeit und spielten sowohl in der 1. Feldmannschaft als auch in der 1. Hallenmannschaft. Somit wurde die routinierte Mannschaft 1972 unter Spielertrainer Gerd Schmidt Kreismeister und stieg in die Bezirksliga auf.
Aufstieg in die Bezirksliga 1972
hinten von links: M. Petzold, D. Grunwald, Spielertrainer G. Schmidt,
G. Gülker, U. Schacht, Betreuer D. Teschke
vorne von links: G. Tessmer, U. Eickhoff, B. Grunwald, G. Ongsiek,
G. Bungart
Eintracht, in der Pflege der Geselligkeit ganz groß, feierte 1974 sein 95. Bestehen im Volksgarten-Restaurant, das als Turnerfest arrangiert wurde. Im Kreise der Jubilare trafen sich die „ausgezeichneten“ Mitglieder zu einer kleinen, aber ansprechenden Feier.
Die Handballabteilung bekam 1977 großen Aufschwung, immerhin konnten 7 Mannschaften, nämlich die 1., 2. und 3. Senioren-Mannschaft sowie Jugend A, B, C und D mit ihrem spielerischen Können an Wettkämpfen der verschiedenen Ligen teilnehmen und Erfolge einholen. Dies war der Verdienst engagierter Jugendarbeit von Dieter Teschke, unterstützt durch Gerd Oetting und Ulrich Schacht. Profilieren konnte sich die Handballabteilung immer wieder auch durch die Organisation und Ausrichtung der überregional bekannten Handballwerbewoche. Ulrich Schacht und Handballabteilungsleiter Heinz Horst konnten jedes Jahr den zahlreichen Zuschauern ein attraktives Teilnehmerfeld bis zur 2. Bundesliga präsentieren.
Mutter-Kind-Turnen an Fasching 1975
Mit großem Engagement der Abteilungsleiterinnen konnte beim Mutter-Kind-Turnen und in der Frauengymnastik nicht nur dem sportlichen Geist nachgegangen werden, sondern diverse Feiern, Festveranstaltungen und Ausflüge rundeten das Bild ab. Das Mutter-Kind-Turnen wurde von der ewig jungen und nimmer müde werdenden Else Kröner in die jüngeren Hände von Regina Heinichen gelegt, die hierzu fachlich die besten Voraussetzungen mitbrachte.
Das Gesicht des Turnvereins hat sich seit der Gründung stark gewandelt. Nicht gewandelt hat sich der Auftrag, den einst die Gründer des Traditionsvereins der Eintracht in den Satzungen gaben: „Zweck des Vereins ist die Förderung des Sports. Der Satzungszweck wird verwirklicht insbesondere durch Förderung sportlicher Übungen und Leistungen“. Um den Anforderungen des Großvereins gerecht zu werden, musste eine neue, zeitgemäße Satzung geschaffen werden. Am 6. November 1978 wurde sie im Vereinsregister beim Amtsgericht Dortmund eingetragen – sie machte den Weg frei für das zweite Eintracht-Jahrhundert.
Am 4. Februar 1979 konnten zur 100-jährigen Jubiläumsveranstaltung wegen der sehr knapp vorhandenen Festsaal-Kapazität nur die Ehrengäste aus dem Bereich der sportlichen Zusammenarbeit und Jubilare teilnehmen. 51 verdienstvolle Mitglieder wurden geehrt. Das Rahmenprogramm wurde von der Mutter-Kind-Abteilung gestaltet, das, geleitet von Regina Heinichen, mit ihrem „Besuch im Zoo“ und einer musikalischen Unterstützung von dem Jugend-Akkordeon-Orchester Lütgendortmund viel Beifall erhielt.