1930 – 1954, Vereinschronik

Das dritte Vierteljahrhundert 1930 bis 1954

Trotz der bitteren Notzeit begannen Verhandlungen zwischen dem Verein und dem Presbyterium der evangelischen Kirchengemeinde Lütgendortmund. Es ging um den Bau eines Sportplatzes hinter der Gaststätte Kersten, der so genannten Kersten’schen Wiese. Und plötzlich wurde – trotz oder aber wegen der Erwerbslosigkeit – das Vereinsleben noch intensiver. Man „hatte Zeit“ für Wanderungen, Turnvergleichskämpfe und Wettspiele. Die Spielfläche des Volksgartens wurde fleißig genutzt – auch von den Handballern. Endlich, am 21. November 1931, war man sich einig. Der Vertrag über einen gepachteten Platz wurde unterzeichnet, am 18. Februar 1932 erfolgte der erste Spatenstich. Doch der Ausbau des Platzes kostete viel Geld. Ein Darlehen in Höhe von 1000 Reichsmark sollte aufgenommen werden. Wegen der damit verbundenen anfallenden Haftung musste eine Eintragung ins Vereinsregister des Amtsgerichtes Dortmund erfolgen.

Bau des Sportplatzes für TV Eintracht 1879
Lütgendortmund e. V., Kersten’sche WieseBau des Sportplatzes für TV Eintracht 1879 Lütgendortmund e. V.
Kersten’sche Wiese

Ab Frühjahr 1933 mussten sich die Vereine nach der veränderten politischen Richtung orientieren, denn am 30. Januar 1933 hatte Adolf Hitler das Amt des Reichskanzlers übernommen. Schon am 2. Mai wurde dem Turnverein mitgeteilt, dass unverzüglich der Vorstand aufgelöst und ein kommissarischer Verwalter eingesetzt werden muss, nicht mehr der Vorsitzende vertrat den Verein, sondern ein so genannter „Führer“. Dieser Vereinsführer und sein Stellvertreter hatten uneingeschränkte Vollmachten und ließen sich von Gefühlen nicht beeindrucken, ihren Anordnungen war unbedingt Folge zu leisten. Ein Jahr später kam der berühmt berüchtigte Auflösungsbeschluss der Deutschen Turnerschaft. Schüler und Schülerinnen, Jugendliche und Erwachsene wurden in der NSDAP und ihren Folgeorganisationen eingespannt. 1935 erfolgte die Eingliederung in den Reichsbund für Leibeserziehungen. In allen turnerischen Abteilungen ließ die Aktivität rapide nach. Die „geistige Ausrichtung“ der damaligen „Vereinsführer“ ging so weit, dass vor Wettkämpfen kleine Prüfungen über „Deutschkunde im völkischen Sinne“ gehalten wurden. Turner und Turnerinnen, die die allgemeinen Fragen nicht beantworten konnten, wurden von der Teilnahme an Wettkämpfen ausgeschlossen.

Ab 1938 rüsteten die Turner trotz aller Widerwärtigkeiten zu ihrem Deutschen Turn- und Sportfest in Breslau, an dem 17 Mitglieder der Eintracht teilnahmen.

Am 9. Juni 1939 bat der Staatliche Aufbaulehrgang in Lütgendortmund die Eintracht darum, ihm den Sportplatz für seine Schüler zu überlassen. Die Versammlung war – es konnte auch nicht anders sein – einverstanden.

Als der zweite Weltkrieg über das Land einbrach, wurden sofort mehr als 40 Mitglieder einberufen. Da die Turnhalle nicht verdunkelt werden konnte, fiel dort der gesamte Sportbetrieb aus, konnte aber mit Verdunklungsschutz im März 1940 wieder aufgenommen werden. Die Vereinsführung schickte Sport- und Turnzeitungen an ihre Mitglieder an die Front, Weihnachtspäckchen wurden über Feldpostnummern versandt. Die Reichssportführung gab neue Satzungen heraus, entsprechend dem Führergrundsatz wurden Vereinsführer nicht mehr gewählt, sondern ernannt. Es war am 3. und 4. Juli 1941 als Luftangriffe auf Lütgendortmund das Zentrum stark zerstörten. Bei all diesem Durcheinander ist es kaum verwunderlich, dass bei Eintracht von 1940 bis 1946 alle Protokolle fehlen. Von der „Lütgendortmunder Faszination“ war nicht viel geblieben, für den Verein war wieder die „Stunde Null“ gekommen.

Leider hat der Krieg eine große Zahl an Opfern gefordert, viele der Besten kehrten nicht mehr in die Heimat zurück. Allen Gefallenen dieses Krieges, wie auch den Opfern des ersten Weltkrieges, wird der Verein stets ein bleibendes Andenken bewahren.

Ausflug der Handball-Freunde zum HermannsdenkmalAusflug der Handball-Freunde zum Hermannsdenkmal

Im Jahre 1945 mussten alle Vereine des Gaues eine Qualifikationsrunde zur Neueinteilung der Handball-Spielklassen mitmachen. Der TV Eintracht erlangte die Spielberechtigung der 1. Kreisliga.

Am 13. April 1946 fanden sich die eingeladenen Mitglieder zur ersten Generalversammlung nach dem Kriege im Vereinslokal Kersten zusammen. Entsprechend den Auflagen der Militärregierung durften die neugewählten Vorstandsmitglieder nicht in der NSDAP oder ihren Untergliederungen gewesen sein. Vorsitzender wurde Kaspar Stratmann, ihm zur Seite standen Kröner und Bear.

Am 11. Januar 1947 wurde ein Generationswechsel im Vorstand eingeleitet. Diese jungen Männer standen vor fast unlösbaren Aufgaben: das Vereinsheim auf dem Sportplatz war durch die Kriegswirren zerstört und der Platz von der evangelischen Kirchengemeinde gekündigt worden.

Dennoch: eine Handballmannschaft spielte plötzlich im Volksgarten, aber die Trikots von einst waren nicht mehr aufzutreiben. Der Fußballverein Bövinghausen 04 half großzügig aus, der schwarze Markt gab ebenso einiges her. Rationelle Gedanken in dieser recht klammen Zeit, in der auch Seife noch zu den Mangelartikeln zählte, brachte Eintracht zu den Farben rot-weiß. Auch die Idee des rot-weißen Vereins-abzeichens stammt aus dieser Zeit.

Die Turner und Turnerinnen hatten unter bewährten Übungsleitern den ordnungsgemäßen Trainingsablauf in der wieder hergerichteten Turnhalle im früheren E-Werk wieder aufgenommen. Das wieder sehr aktive Vereinsleben zog auch junge Leute aus der Nachbarschaft nach Lütgendortmund. Man beteiligte sich an leichtathletischen Wettkämpfen, der Volksgarten erlebte viele gute Spiele und die Faustballabteilung trat bald wieder an die Öffentlichkeit.

Das Jahr 1948 aber hatte es in sich. Die D-Mark wurde geboren und für Eintracht ging fast das Licht aus. Mit der Geldumwertung schmolz das Barvermögen des Vereins dahin und die Turnhalle an der Westricher Straße ging verloren, da das Gebäude von einer Maschinenfabrik angepachtet und entsprechend umgerüstet wurde. Die Turner mussten mit dem Saal der Gaststätte Hohmann als neue Heimat vorlieb nehmen, obwohl es an den primitivsten Einrichtungen mangelte.

Westdeutscher Jugend-Handballmeister 1950/51Westdeutscher Jugend-Handballmeister 1950/51
hinten von links: Handballabteilungsleiter J. Tonsor, G. Schäfers, F. Meier,
R. Nagusch, P. Krajewski, H. Martin, Betreuer E. Lorsy
mitte von links: W. Meier, E. Kaselitz, K. Krämer
vorne von links: J. Mühlenbeck, M. Bungard, F. Martin

Trotz dieser Beschränkungen nahm das Interesse vor allem bei den Schülern und Jugendlichen am Turnen zu. Auch die Frauenabteilung erlebte einen Aufschwung, der Volksgarten wurde zu einem beliebten Treffpunkt der Sportler von Eintracht.

Im gleichen Jahre kam es zur Neugründung der Altersriege. Unter der rührigen und nie ermüdenden Leitung der Turnschwester Lore Ellringmann und des Turnbruders Kröner entwickelte sich diese Riege bald zu einer immer stärker werdenden Abteilung.

An dem Bundesturnfest in Hamm im Jahre 1950 beteiligten sich die Tbr. Glembotzki, Holzhüter, Streppel, Schwitay, Hans und Friedhelm Martin und Rolf Huhn und kehrten als Sieger wieder nach Lütgendortmund zurück. Auch an den Harkortbergfesten auf dem „Alten Stamm“ bei Wetter nahm der Verein immer mit Erfolg teil.

Den größten Aufschwung jedoch machten die Handballer. Die intensive Jugendarbeit der letzten Jahre zahlte sich bald aus: die Jugend spielte von Erfolg zu Erfolg, wurde mehrmals Kreis- und Bezirksmeister. Höhepunkt der handballerischen Jugendarbeit, hier trat oft der Name Emil Lorsy auf, war nach einem dramatischen Endspiel gegen TuS Spenge im Jahre 1951 das Erreichen des Westdeutschen Jugendmeisters. Auch die erste Mannschaft erkämpfte manchen Turniersieg und stieg 1952 in die Oberliga im Feldhandball auf.

Die großen Turnfeste gewannen ihre Anziehungskraft zurück. So reisten 1953 aus Lütgendortmund 20 Turnbrüder und Turnschwestern nach Hamburg zum Deutschen Turnfest.

Ein Jahr nach dem Erringen der Fußballweltmeisterschaft durch die Deutsche Nationalelf 1954, als „Wunder von Bern“ noch gut in Erinnerung, musste die 75-Jahrfeier unseres Turnvereins um ein Jahr auf 1955 verschoben werden, da der Specht’sche Saal nach der Zerstörung nicht früher fertiggestellt werden konnte. Das Fest war ein rauschender Erfolg, Höhepunkt der Feierlichkeiten war die Ehrung der ältesten Mitglieder Bomholt, Beckmann, Kersten und Zimmermann.